Konferenzbericht

Konferenzbericht zu den Dramapädagogik-Tagen an der Hochschule Reutlingen 2016

Stefanie Giebert & Eva Göksel

Jahrgang X, Ausgabe 2, 2016, doi:10.33178/scenario.10.2.13
© 2016, The Author(s). This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

Zusammenfassung

Dieser Konferenzbericht beschäftigt sich mit der zweiten Tagung zu Dramapädaogik im Fremd- und Zweitsprachenunterricht an der Hochschule Reutlingen im Juli 2016.

Contents

  1. Zielsetzung und Einführung
  2. Process Drama
  3. Dramapädagogische Workshops und Doktoranden-Kolloquium
  4. Fazit

1. Zielsetzung und Einführung

Am 23. und 24. Juli 2016 fand an der Hochschule Reutlingen bereits zum zweiten Mal nach 2015 eine Tagung zum Thema Dramapädaogik im Fremd- und Zweitsprachenunterricht statt.

35 Teilnehmer aus acht Ländern nahmen teil. Die Tagung richtete sich an Fremdsprachenlehrende aller Sprachen und Schulformen, von der Grundschule bis zu universitären oder beruflichen Kontexten, sowie an Fremdsprachendidaktiker aus Hochschulen und Lehrerseminaren.

Während 2015 der Anteil von Vorträgen über Forschungs- und Praxisprojekte zu praktischen Workshops bei jeweils etwa 50% lag, hatten die Organisatoren 2016 – Eva Göksel (PH Zug) und Stefanie Giebert (HS Reutlingen/HS Konstanz) den Schwerpunkt auf Workshops gelegt, da diese bei den Teilnehmern der vorigen Tagung auf das größte Interesse gestoßen waren.

Um dem erwarteten heterogenen Teilnehmerkreis aus dramapädagogikerfahrenen Lehrkräften und interessierten Neulingen gerecht zu werden, war der Tagung ein kurzer Einstiegsworkshop für Anfänger vorgeschaltet. Eva Göksel führte hier durch eine Probestunde (Zielgruppe: Englisch Grundschule), in der das Grimm‘sche Märchen von den Bremer Stadtmusikanten mit Hilfe von Drama-Übungen erkundet wurde. Vor allem anhand von Tableaux und Storytelling-Übungen erkundeten die Teilnehmer Aspekte wie das Ausdrücken von Emotionen, genaues Zuhören und Beobachten und kollaboratives Geschichtenerzählen und diskutierten, wie sie diese oder ähnliche im eigenen Unterricht einsetzen könnten.

2. Process Drama

Im Fokus des ersten Tages stand dann die Form des Process Drama, die Nicola Abraham von der Royal Central School of Speech and Drama an der Universität London in einem Vortrag und zwei Workshops vorstellte. Die Referentin ist selbst nicht im Bereich Fremdsprachenvermittlung tätig, sondern als Forscherin und Praktikerin im Bereich Drama in Education, deren Projekte sich jedoch auch häufig an Zielgruppen richten, für die das Englische nicht Muttersprache ist. Ziel des Process Drama Schwerpunkts war es, Lehrenden und Forschenden diese, unter anderem von Dorothy Heathcote und Cecily O’Neill geprägte, performative Großform vorzustellen und zur Diskussion zu stellen, inwieweit sich diese auch für den Fremdsprachenunterricht eignet. Ein weiterer Aspekt sollte die Frage nach dem Umgang mit “Zugangshürden” auf dem Weg zu einem dramapädagogischen Unterricht sein, etwa die Frage nach dem Umgang mit schwierigen Schülern oder die Frage “wie kann ich als Lehrkraft ohne Zusatzausbildung in diesem Bereich dramapädagogische Methoden anwenden?” In ihrem Vortrag “Contemporary Applications of Drama in Education – Troubleshooting Barriers to Drama in Diverse Classrooms” stellte Abraham zunächst die geschichtliche Entwicklung des Bereichs drama in education und einige seiner Grundkonzepte – Raum für Kreativität, entdeckendes Lernen, Lernen durch Rollenübernahme, Umkehrung von Hierarchien durch Lernende als Experten – vor. Des weiteren stellte sie dar, wie ein Process Drama im schulischen Kontext geplant werden und welche Rollen Lehrende innerhalb des Dramas einnehmen können. Zwei mögliche Rollen wurden dann in den anschließenden Workshops praktisch demonstriert – einmal die Lehrkraft als Prozessbegleiter, der das Spielen hauptsächlich den Lernenden überlässt und einmal die Lehrkraft als dramatisch stärker eingebunder “teacher in role”. Im ersten Workshop ging es um die Themen Kooperation und Teamarbeit – die Teilnehmer hatten als auf einer einsamen Insel gestrandete Piraten die Aufgabe, ihre Umgebung zu erforschen und diverse Gefahren zu überwinden, wobei sie wiederholt Anweisungen in Form von Briefen und Nachrichten erhielten. Dieses Process Drama war von der Referentin in der eigenen Praxis in einer Schulklasse einem sozialen Brennpunkt eingesetzt worden. Die Klasse war von einer negativen Dynamik geprägt und neigte in anderen Process Dramas dazu, statt Probleme zu lösen, die Figuren im Drama einfach umzubringen – zeigte sich jedoch bei dem Thema Piraten zu Teamarbeit und Begeisterung fähig.

Im zweiten Workshop erkundeten die Teilnehmer als Charaktere aus der Welt von Frank L. Baums Zauberers von Oz (und Patrick Maguires Wicked) die Themen Diversität, Vorurteile und daraus resultierende Ausgrenzung. Im Mittelpunkt stand die Figur der Elphaba Throppe, über die die Schüler und Schülerinnen im Rahmen des Process Dramas zu Gericht sitzen müssen und über deren Biographie sie im Rahmen des Process Dramas durch szenische Improvisationen viel erfahren. Nicola Abraham trat als teacher in role unter anderem als Polizeibeamtin und Lehrerin auf und band die Teilnehmer als Schüler, Dorfbewohner, Reporter, etc. in Rollenspiele ein, die am Ende in eine Urteilsfindung mündeten.

Obwohl viele Themen angesprochen wurden, die auch für den Fremdsprachen- und hier vor allem den Literaturunterricht von Interesse sind wurde von einigen Teilnehmern angemerkt, dass der Transfer der Beispiele in den Fremdsprachenunterricht stärker hätte diskutiert werden können.

3. Dramapädagogische Workshops und Doktoranden-Kolloquium

Gezielt auf den Fremdsprachenunterricht zugeschnitten waren die weiteren Workshops der Tagung. So zeigten am Samstagnachmittag Andrea Knupfer und Katrin Klaschik, wie man Sachtexte, die von Lernenden teilweise eher als ‚trocken‘ empfunden werden, aber z.B. in höheren Altersstufen und besonders im berufsorientierten FSU vorherrschen, durch Dramamethoden zugänglicher machen kann. Texte auf Deutsch, Englisch und Französisch wurden von den Teilnehmern unter Zuhilfenahme von Stimmmodulation, Geräuschkulissen oder Raumläufe und Statuen erkundet.

Am Ende des ersten Tages stand schließlich noch das Thema Forschung, bzw. Nachwuchsforscher im Bereich Dramapädagogik im Blickpunkt: In Kurzpräsentationen stellten sechs Doktoranden und Doktorandinnen verschiedener Hochschulen aus Deutschland, der Schweiz, Italien, der Tschechischen Republik und Luxemburg ihre Promotionsprojekte vor. Diese reichten unter anderem von der Erforschung von Theaterprojekten in mehrsprachigen Klassen (Weyer 2015) über den Einsatz von Dramapädagogik in der sprachpraktischen Ausbildung von Lehramtsstudierenden (Sharp 2015) bis zur Untersuchung von Improvisationsübungen auf die sprachlichen Kompetenzen von Lernenden unterschiedlicher Altersgruppen.

Am zweiten Tag demonstrierte Tomáš Andrášik, von der Masaryk University, Brno, (Tschechische Republik) wie Improvisationsübungen Lernenden zu größerem Selbstvertrauen beim Kommunizieren in der Fremdsprache verhelfen und außerdem eine kooperative Atmosphäre im Klassenzimmer fördern können. Der Workshopleiter demonstrierte anhand verschiedener Übungen das Prinzip des „yes, and...“ das Annehmen und Ausbauen von (sprachlichen und nicht-sprachlichen) Angeboten der Mitspieler, wie überraschend diese auch immer sein mögen. Er führte aus, wie dieses Prinzip dazu dienen könne, bei den Lernenden Angst vor der Kommunikation in der Fremdsprache – und den damit verbundenen unerwarteten Situationen – abzubauen.

Im letzten Workshop ging es, nachdem zuvor der Schwerpunkt eher im Bereich Sprachflüssigkeit lag, nun um das Thema Sprachrichtigkeit. Stefanie Giebert (Hochschule Reutlingen) stellte das von Susanne Even entwickelte Phasenmodell einer Drama Grammatik Unterrichtseinheit anhand eines Beispiels aus dem Englischen vor. Zur Illustration der Zeitenfolge Past Continuous – Simple Past (fortlaufende Handlung, die von einer neuen Handlung unterbrochen wird) ging es um potentiell peinliche Unterbrechungen à la „I was taking a bath when the doorbell rang“ und die Teilnehmer intensivierten ihre Erkundung der Struktur durch eigene Improvisationen. Anschließend erarbeiteten nach Zielsprachen organisierte Kleingruppen Vorschläge für Drama Grammatik Einheiten für den eigenen Unterricht.

4. Fazit

In der Diskussionsrunde zum Abschluss der Veranstaltung kamen noch einmal mögliche Barrieren zur Sprache, die Lehrpersonen vom Einsatz dramapädagogischer Methoden abhalten können – die große Bedeutung des Spielleiters im Process Drama und damit verbundene Risiken, Probleme mit Zeitmangel und ungeeigneten Räumlichkeiten. Jedoch bestand allgemein Konsens, dass der höhere Zeitaufwand für die Vorbereitung eines dramapädagogischen Unterrichts durch das, was Lernende in einem solchen Unterricht erleben und erreichen können, gerechtfertigt wird. Die Frage nach der Erfolgsmessung und Evaluation von dramapädagogischem Unterricht und seiner Positionierung in Schulen wurden ebenfalls diskutiert und als Thema für kommende Tagungen und Konferenzen in ähnlichem Rahmen – voraussichtlich im Sommer 2017 an der Hochschule Konstanz – festgehalten, da hier weiterhin Diskussions- und Forschungsbedarf besteht.

Bibliografie

Sharp, Jonathan (2015): Macbeth in the Higher Education English Language Classroom. In: Scenario IX/2, 27-41. http://research.ucc.ie/scenario/2015/02/Sharp/03/en [zuletzt aufgerufen 17.12.2016]

Weyer, Dany (2016): Collaborative art in the multilingual and multicultural classroom: Appraising the role of theatre for developing multilingual skills and global competencies. Presentation held at the Drama in Education Conference 2016, organised by the Reutlingen University (Institute for Foreign Languages, IfF) and the University of Teacher Education Zug (Center for Oral Communication, ZM). https://www.researchgate.net/publication/307607886_Collaborative_art_in_the_multilingual_and_multicultural_classroom_Appraising_the_role_of_theatre_for_developing_multilingual_skills_and_global_competencies [zuletzt aufgerufen 17.12.2016]

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