Vorwort

Jahrgang XII, Ausgabe 1, 2018, doi:10.33178/scenario.12.1.0
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Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns, in dieser 23. SCENARIO-Ausgabe vier Artikel, einen Länderbericht, drei Buchrezensionen, einen Konferenzbericht und eine Konferenzankündigung präsentieren zu können. In unserer Spalte Texte ums Theater stellen wir einen Auszug aus Hugh Walpole’s Roman Jeremy (1919) vor. Handlungsort ist die fiktive Kleinstadt Polchester im Süden Englands, wo ein kleiner Junge zum ersten Mal eine Theateraufführung erlebt.

Stefan Blutner (Freie Universität Berlin) geht in seinem Beitrag Mehrsprachigkeit performativ in Szene gesetzt: ein diversitätsorientieres Rap-Projekt davon aus, dass Lernende im 21. Jahrhundert, besonders in superdiversen Großstädten wie London und Berlin, sich in mehrsprachigen, komplexen und dynamischen Räumen bewegen. Folglich müsse es darum gehen, im Bildungsbereich eine zu einseitige Fixierung auf Nationalsprachen und eine Dominanz der englischen Sprache zu vermeiden und vielmehr identitätsbezogene Sprachbewusstheit und sprachübergreifende, -verbindende Kompetenzen zu fördern. Wie dies praktisch umgesetzt werden kann, beschreibt Blutner anhand eines extracurricularen Projekts an einer Londoner Schule, das darauf abzielte, unter den Lernenden ein kritisch-kreatives Identitätsbewusstsein zu fördern. Speziell wird darüber reflektiert, welche Erfahrungen die Lernenden bei der Erarbeitung einer Rap Performance machten.

André Bastian (University of Monash, Melbourne) stellt in seinem Beitrag My language is part of your countryCreating a deeper sense of belonging through two-way language teaching in process drama/in-role-drama ausführlich dar, wie moderne liberale Demokratien bisher auf das Phänomen reagiert haben, dass Jugendliche für Formen (islamischer) Radikalisierung empfänglich sind. Er stellt erste Überlegungen dazu an, wie im Bildungsbereich speziell durch den Einsatz von Process Drama und In-Role-Drama für Jugendliche ein Raum entsteht, in dem ihrer Herkunftskultur und -sprache mit Respekt begegnet wird, sie offen kommunizieren und ihre Haltung zu gesellschaftlich brisanten Themen zum Ausdruck bringen können. Nur durch die Förderung eines Klimas von wechselseitiger Empathie und kultureller Wertschätzung, so Bastians Grundthese, lässt sich erreichen, dass Jugendliche sich aufgehoben fühlen und nicht in radikales Fahrwasser geraten.

Melanie Bloom (University of Nebraska at Omaha) geht es in ihrer empirischen Studie unter dem Titel Learning through dynamic tensions in a performance-based service-learning course um Formen von Spannungen, die auftreten können, wenn in pädagogischen Kontexten an einem Performance-Projekt gearbeitet wird. Sie bezieht sich auf ihre Lehrpraxis im Fach Spanisch und untersucht, an welchen Punkten Studierende im Verlaufe eines Performance-Projekts Spannungen ausgesetzt waren und wie sich das auf die Studierenden auswirkte. Bemerkenswert ist ihre abschließende Feststellung, dass Spannung ein wesentlicher Bestandteil performance-orientierter Unterrichtsarbeit ist und eine durchaus lernfördernde Wirkung hat.

Manfred Schewe & Fionn Woodhouse (University College Cork) beziehen sich in ihrem Artikel Performative Foreign Language Didactics in Progress: About Still Images and the Teacher as ‚Formmeister’ (Form Master) auf ihre Lehrpraxis mit Germanistik- und Theaterstudierenden an der Universität Cork und möchten mit ihren Überlegungen zur Weiterentwicklung einer Performativen Fremdsprachendidaktik beitragen. Aus dieser Perspektive sind Lehrpersonen Formmeister, die sich immer wieder von den performativen Künsten inspirieren lassen und bei der Unterrichtsgestaltung auf ästhetische Formgebung achten, etwa durch den bewussten Einsatz von Standbildern. Die Autoren beschreiben allgemeine Merkmale von Standbildern, stellen Überlegungen zur Funktion und Wirkung von Standbildern an und demonstrieren, mittels welcher konkreter Techniken sich die Bedeutungsschichten von Standbildern erschließen lassen.

Erstmalig berichten wir in SCENARIO über performatives Lehren und Lernen in der Türkei. Perihan Korkut (Muğla Sıtkı Koçman Universität) gibt einen Einblick in türkische Theatertraditionen, beleuchtet insbesondere die Rolle von Theater in pädagogischen Kontexten und skizziert Entwicklungsperspektiven in diesem Bereich.

Alexandra Hensel (Universität Göttingen) bespricht Bühne frei für Deutsch! Das Theaterhandbuch für Deutsch als Fremdsprache von Birgit Oelschläger (2017), das wertvolle Praxistipps enthält und sich insbesondere an Lehrer*innen im Fach Deutsch als Fremdsprache richtet. Michael Legutke (Universität Giessen) rezensiert Dramapädagogik, Selbstkompetenz und Professionalisierung. Performative Identitätsarbeit im Lehramtsstudium Englisch, eine Publikation von Adrian Haack (2018), die die Professionalisierung zukünftiger Fremdsprachenlehrer*innen ins Zentrum stellt und insbesondere für dramapädagogisch arbeitende Hochschullehrende interessant sein dürfte. Erika Piazzoli (Trinity College Dublin) blickt über den fremdsprachendidaktischen Zaun hinaus und setzt sich mit Singing Ideas: Performance, Politics and Oral Poetry von Tríona Ní Shíocháin (2018) auseinander. In dieser Publikation wird anhand der eindrucksvollen Biografie der Songpoetin Máire Bhuí Laeire (Yellow Mary O’Leary) exemplarisch vermittelt, wie im Irland des 18. Jahrhunderts das Singen ein performatives Medium war, das ganz bewusst zur Erreichung politischer Ziele eingesetzt wurde.

Wir freuen uns, dass Dragan Miladinović (Department of German, University College Cork) nun zum SCENARIO-Redaktionsteam gehört und künftig speziell für den Bereich Buchrezensionen zuständig sein wird.

Wer über unser kontinuierlich wachsendes SCENARIO Forum – Netzwerk Informationen erhält, ist vermutlich bereits darüber im Bilde, dass wir über unsere großen internationalen Konferenzen (2014/2017/2020) hinaus in jedem Jahr zu bestimmten Themenschwerpunkten Symposien veranstalten. Inzwischen handelt es sich um ein wanderndes SCENARIO Forum-Symposium, denn nach den ersten Symposien in Cork gab es bereits zwei weitere in den USA, und das nächste Symposium wird in Deutschland stattfinden.

In dieser Ausgabe berichtet Tin Wegel (University of North Carolina at Chapel Hill) über das 5. SCENARIO Forum Symposium an der University of Northern Colorado (19. - 20. Januar 2018) und wir informieren über das 6. SCENARIO Forum Symposium, das unter dem Titel Universitäten auf dem Weg zu einer performativen Lehr- und Lernkultur? an der Universität Hannover stattfindet (21.- 22. September 2018).

Wir freuen uns darauf, dort vielen SCENARIO-Leserinnen und -Lesern zu begegnen.

Mit den besten Wünschen für einen angenehmen Sommer,

Manfred Schewe, Susanne Even

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