Rezension

Oelschläger, Birgit (2017). Bühne frei für Deutsch! Das Theaterhandbuch für Deutsch als Fremdsprache. Deutscher Theaterverlag: Weinheim

Alexandra Hensel

Jahrgang XII, Ausgabe 1, 2018, doi:10.33178/scenario.12.1.6
© 2018, The Author(s). This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

Wer schon immer ein gut strukturiertes, komplexes und dabei übersichtliches Theaterhandbuch für seinen Fremdsprachenunterricht speziell Deutsch als Fremdsprache für alle Niveaustufen gesucht hat, wird mit Birgit Oelschlägers im Herbst 2017 erschienenem Buch fündig!

Dass ein aktiv gestalteter Unterricht mehrere Vorteile bezüglich des Lernverhaltens, insbesondere der Lernmotivation und damit des Er-Lernens überhaupt eröffnet, findet fachlich immer breitere Anerkennung. Dies spiegelt sich besonders in der aktuellen fremdsprachendidaktischen Diskussion über ein performatives Lehren-Lernen-Forschen und auch in den Neurowissenschaften (vgl. Hüther 2014, Rittelmeyer 2012 und Sambanis 2013) wider. Theater bietet hierfür eine ideale Kunst-Form, da u.a. Bewegung und Sprache im Kontext erfolgen, kooperatives Arbeiten und Lernen sowie öffentliches Darstellen stattfindet. Von all dem profitiert ein aktiver Unterricht. Doch wie dieser ganz konkret gelingen kann, wird noch eher einzeln versucht und erprobt.

Neben der fundierten und empirisch belegten dramapädagogischen Praxis von Manfred Schewe Fremdsprache inszenieren (1993) und Susanne Even Drama Grammatik (2003), wurde 1999 von Elektra Tselikas ein Handbuch Dramapädagogik im Sprachunterricht herausgebracht. Dieses bietet nach einer theoretischen Einführung in diese Arbeit und deren Bedeutung, eine praktische und inspirierende Anleitung mit Textbeispielen und Übungen für andere Lehrkräfte. 2005 erschien, ebenfalls im Deutschen Theaterverlag, das Handbuch Spiel mit Körper, Sprache, Medien. Eine Einführung in die Theaterarbeit von Kerstin Eckstein, Henrik Schmidt, Sarah Schmidt und Ingrid Streble. Alle Autor*innen sind im Bereich der Sprachvermittlung tätig und bieten mit diesem Band zahlreiche Übungen und Vorgehensweisen, u.a. mit kreativen Textbeispielen wie einer Gebrauchsanleitung und Minidramen, für das fremdsprachliche Theaterspiel.

Nun ist mit dem Band von Oelschläger ‘Bühne frei für Deutsch!‘ ein komplexer und übersichtlicher Leitfaden für den alltäglichen Fremdsprachenunterricht ebenfalls aus der eigenen Theater-Unterrichts-Praxis erschienen, der eine leichte und äußerst bewusste Handhabung ermöglicht.

Oelschläger studierte Germanistik und Theaterwissenschaft sowie Theaterpädagogik an der UdK Berlin, und hat jahrelange Erfahrung als DaF-Lehrerin und Lehrer*innenfortbilderin vor allem an Goethe-Instituten. Sie konzipiert weiterhin Schultheaterprojekte und -festivals und ist pädagogische und künstlerische Leiterin mehrerer Theater- und Sprachcamps zur Sprachförderung von Berliner Grundschüler*innen.

Dieser reiche Erfahrungsschatz kommt diesem Band, der für die Niveaustufen A1-C1 sowie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen geeignet ist, zugute. Die Autorin bezieht sich zwar hauptsächlich auf die Schule, doch wie sie selber anmerkt, kann und soll dieses Handbuch für die eigene individuelle Praxis gebraucht werden.

In vier Teilen bespricht Oelschläger didaktische Grundlagen, liefert Beispiele für Einstiege ins Spiel, erläutert Spieleinheiten und stellt exemplarisch Theaterprojekte mit Deutsch lernenden Jugendlichen ab A2 vor:

Im 1. Teil wird ein Kontext bezüglich der theaterpraktischen Arbeit im Fremdsprachenunterricht hergestellt. Ausgehend von einer Spielleitung, die sich als „Türöffnerin zur Kreativität der anderen" (16) versteht, verdeutlicht Oelschläger zunächst die Notwendigkeit des Theaters im Fremdsprachenunterricht. Die Kompetenzen, die hierdurch gefördert werden können, unterteilt sie in sprachliche Kompetenzen wie eine Verbesserung der Aussprache und dem Abbau von Sprechhemmungen, persönlichkeitsbezogene Kompetenzen wie Selbstbewusstsein, Sozialkompetenzen wie Flexibilität und nicht zuletzt ästhetisch-künstlerische Kompetenzen im Bereich Theater wie Einsatz von Stimme, Atem, Sprechen und Kennenlernen von sprecherischen und körpersprachlichen Gestaltungsmitteln (24f.).  

Im Weiteren geht sie auf die Spielvoraussetzungen wie eine spielförderliche Atmosphäre und die Haltung der Lehrkraft ein und greift verschiedene Fragen auf, die u.a. die Raumgestaltung, etwaige Hindernisse ,wie Zeitmanagement und Verständnis seitens anderer Kolleg*innen und die Fehlerkorrektur, beinhalten.

Sie resümiert darüber hinaus zehn goldene Theaterregeln, die jedoch in jedem Kurs individuell festgelegt werden können und sollen. Diese Regeln dienen dazu, sich Spiel-Techniken bewusst zu machen wie z.B. die Regel, nicht den Rücken zum Publikum zu drehen.

Oelschläger bringt der Leser*innenschaft auch die strukturelle sowie inhaltliche bzw. szenische Arbeit mit literarischen Texten und den Aufbau von Spieleinheiten näher. Explizit geht sie dabei auf Auswertungsverfahren gespielter Szenen ein. Hier wird u.a. die Unterscheidung zwischen „beschreiben, interpretieren und bewerten“ deutlich gemacht sowie Feedbackregeln vorgestellt, die beispielsweise darauf hinweisen, zuerst ein positives Feedback zu geben, bevor man Verbesserungsvorschläge macht. Außerdem beschreibt sie einen spielerischen Umgang innerhalb dieses Auswertungsverfahrens z.B. durch die Vier-Ecken-Methode (Plakate werden in vier Themen-Ecken gehängt, auf denen Gesprächsmeinungen festgehalten werden. Bspw.: Ecke A: Deutsch lernen mit Theater ist für mich eine tolle Erfahrung, weil…usw.) (47). Anhand von Beispielen und Erklärungen macht Oelschläger die Bedeutung dieses Verfahrens bewusst und zeigt, wie dieses konstruktiv gelingen kann, was ihr Handbuch herausragend macht. Abschließend beschreibt sie in diesem Teil die Organisation szenischer Arbeit in Kleingruppen.

Mit diesen Grundüberlegungen leitet sie zu Teil 2, den „6x5 Einstiegen ins Spiel" über, die sich für die ersten Stunden Deutsch, den Einstieg in die Theaterarbeit, als Wortschatz-, Grammatik- und Phonetikspiele sowie zur Improvisation eignen. Diese Spiele sind in ihrem Verlauf knapp beschrieben und anhand von Symbolen u.a. bezüglich des Niveaus, der Raumverteilung, Materialien und Sozialformen strukturiert, sodass eine sehr gute Übersicht entsteht.

Anschließend folgt in Teil 3 eine Auflistung von 30 Spieleinheiten zu den beiden Schwerpunkten Sprach- und Textarbeit. Dabei unterteilen sich die Einheiten in Wortschatz und Grammatik, Lehrbuchtexte, interkulturelles szenisches Lernen, zeitgenössische Theaterstücke, Gedichte und Prosa. Diese Einheiten sind wie in einem Lehrerhandbuch zu einem Lehrwerk konzipiert und können entsprechend der eigenen Unterrichtspraxis ausgewählt und adaptiert werden.

In Teil 4 werden Theaterprojekte mit Deutsch lernenden Jugendlichen beschrieben. Oelschläger führt hierbei kreative Zugänge für eine Stückentwicklung auf, die eher auf eine Eigenproduktion ausgerichtet sind, um eine hohe Identifikation mit dem Stück zu erzeugen. So bringen sich die Jugendlichen am besten selbst mit ein. Die Autorin verdeutlicht an dieser Stelle, dass eine Inszenierung „keine reproduktive Aufgabe ist, bei der nur der Text aufgesagt wird, sondern ihr geht eine inhaltlich-künstlerische Auseinandersetzung voraus" (131).

In diesem Kontext beschreibt Oelschläger wie ein Dreiakter selbst geschrieben werden kann, eine literarische Adaption vorgenommen wird, eine Szenencollage und eine biografische Eigenproduktion entstehen können.

Anschließend wird die Bedeutung partizipativer Theaterarbeit für Lehrende und Lernende hervorgehoben, die die Probenarbeit als „demokratischen Prozess" (137) begreift und die notwendigen Rahmenbedingungen wie Teilnehmeranzahl, räumliche Voraussetzungen und Zeitplanung darlegt. Die Beschreibung eines eintägigen Miniprojekts mit Abschlusspräsentation für ein A2-Niveau und eines genauen Ablaufs einer Stückentwicklung in drei Probenphasen runden diesen Teil ab.

Birgit Oelschläger ist mit diesem Handbuch ein höchst inspirierendes, komplexes und sehr übersichtliches Werk gelungen, das jede Lehrkraft der kreativen Theaterarbeit an sich und speziell für den Unterricht näherbringt. Sie greift viele Fragen auf, die sich Lehrenden in diesem Kontext stellen und geht auf zahlreiche Rahmenbedingungen ein, die Theaterspiel im Klassenzimmer bzw. Seminarraum gelingen lassen. Sie beschreibt Schritt für Schritt einzelne Übungen für spezielle Unterrichtsthemen sowie Spieleinheiten und Stückentwicklungen, die eben nicht nur das Auswendiglernen eines Dramas zum Ziel haben, sondern den Blick für eine künstlerisch-ästhetische Unterrichtspraxis öffnen, die eine Sprachbewusstwerdung, Selbstsicherheit sowie Motivation unterstützt. Hierin ist ein hervorstechendes Merkmal dieses Buches zu sehen, da die künstlerische Auseinandersetzung und die daraus entstehende eigene schöpferische Arbeit von Oelschläger prägnant und transparent aufgezeigt werden.

Jedoch ist „eine unabdingbare Voraussetzung, Theaterelemente in den Unterricht zu integrieren, […] die eigene Spielerfahrung" (28). So kann mit diesem Theaterhandbuch der eigene Unterricht vielseitig, bewusst und mutig gestaltet werden und gelingen!

Bibliografie

Eckstein, Kerstin; Schmidt, Henrik; Schmidt, Sarah & Streble, Ingrid (Hrsg.) (2005): Spiel mit Körper, Sprache, Medien. Eine Einführung in die Theaterarbeit. 2. Aufl. Weinheim: Deutscher Theaterverlag

Even, Susanne & Schewe, Manfred (2016): Performatives Lehren, Lernen, Forschen – Performative Teaching, Learning, Research. Berlin: Schibri

Even, Susanne (2003): Drama Grammatik. Dramapädagogische Ansätze für den Grammatik-unterricht Deutsch als Fremdsprache. München: Iudicium

Hüther, Gerald (2014): Was wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer

Rittelmeyer, Christian (2012): Warum und wozu ästhetische Bildung? Über Transferwirkungen künstlerischer Tätigkeiten. Ein Forschungsüberblick. 2. Aufl. Oberhausen: Athena

Sambanis, Michaela (2013): Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr Studienbücher

Schewe, Manfred (1993): Fremdsprache inszenieren. Zur Fundierung einer dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis. Oldenburg (Didaktisches Zentrum). Vergriffen, aber derzeit online gratis zugänglich unter: https://cora.ucc.ie/bitstream/handle/10468/561/MS_FremdspracheAV1993.pdf?sequence=4&isAllowed=y [zuletzt eingesehen am 2. Mai 2018]

Tselikas, Elektra I. (1999): Dramapädagogik im Sprachunterricht. Zürich: Orell Füssli

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