Rezension

Sambanis, Michaela & Walter, Maik (2019): In Motion – Theaterimpulse zum Sprachenlernen. Von neuesten Befunden der Neurowissenschaft zu konkreten Unterrichtsimpulsen. Berlin: Cornelsen1

Hanna Völker

Jahrgang XIII, Ausgabe 1, 2019, doi:10.33178/scenario.13.1.12
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  1. https://doi.org/10.33178/scenario.13.1.12

Mit In Motion haben die Autor*innen Michaela Sambanis und Maik Walter eine Publikation vorgelegt, die neurowissenschaftliche Erkenntnisse und konkrete Theaterimpulse für den Fremdsprachenunterricht an Sekundarschulen verbindet. Das 2019 bei Cornelsen veröffentlichte Buch präsentiert von den Autor*innen in der Unterrichtspraxis erprobte Aktivitäten und richtet sich an alle, die sich mit Sprachunterricht im Sekundarbereich befassen (werden).

Ausgehend von der Tatsache, dass Forderungen zum Einsatz von Körper und Bewegung im Unterricht in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart zwar schon geltend gemacht wurden, dieser Lernzugang in der Praxis, speziell in der Sekundarstufe, jedoch weiterhin häufig nicht genutzt wird (8), bieten die Autor*innen eine kompakte und präzise Darstellung mit vielen Angeboten zum Einsatz des Körpers als Unterrichtsressource. In drei Themenbereichen werden Theorie und Praxis verknüpft und jeweils durch einen Kommentar mit neurowissenschaftlichen und didaktischen Hinweisen abgerundet.

Kapitel 1 wirft unter dem Begriff Embodied Cognition einen Blick auf Unterrichtssettings, die bewegtes Lernen ermöglichen und den Körper als „wichtiges Learning Tool“ (11) in den Unterricht einbeziehen. Unter Referenz auf zahlreiche kognitionswissenschaftliche Studien können Sambanis und Walter einen Zusammenhang zwischen Embodied Learning und erhöhter kognitiver Leistung nachweisen, was als Beleg für eine Body-Mind-Interaction angesehen werden kann. Die Annahme hier ist, dass sich ein dramapädagogisch ausgerichteter Unterricht, der die Körperlichkeit der Lernenden einbezieht und somit Körper und Gehirn als funktionale Einheit anerkennt, positiv auf die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Inhalten auswirkt. Die anschließende Darstellung durch Theatermethoden inspirierter Unterrichtsimpulse, wie der bewegten Tandemerzählung oder einem paarweise durchgeführten Spiel zur bewegten Überforderung (24-27), wird jeweils durch Erläuterungen zum didaktischen Hintergrund ergänzt. Durch einen abschließenden neurowissenschaftlich und didaktisch ausgerichteten Kommentar werden die praktischen Hinweise an die Wissenschaft rückgekoppelt.

Erwähnenswert sind die zahlreichen und vielseitigen Hinweise zur unterrichtlichen Praxis, beispielsweise didaktische Empfehlungen zum Umgang mit (sprachlichen) Fehlern. So wird im Rahmen der vorgestellten Unterrichtsbeispiele dargelegt, dass Spiele aus dem Improvisationstheater einen entspannteren Umgang mit Fehlern aufseiten der Schüler*innen vermitteln, indem diese im theatralen Setting als etwas Normales erlebt werden. Ebenso ist bei einer Vielzahl der aufgeführten Spiele ein Einbezug von Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer im Sinne eines „potenzialorientierten Unterrichts“ (Oleschko 2017) möglich.

Ziel des zweiten Kapitels ist es, aufzuzeigen, wie „Lernphasen durch Theatermethoden [belebt und intensiviert werden können]“ (53), um zu gewährleisten, dass erarbeitete Wissensinhalte längerfristig erhalten bleiben. Ausgehend von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zum Aufbau von Gedächtnisinhalten wird argumentiert, dass sich Theaterarbeit eignet, um Lernerlebnisse zu schaffen, die positiv belegt, bewegt, abwechslungsreich und kreativitätsfördernd sind und dem (in der Fremdsprachendidaktik häufig geforderten) Prinzip der Handlungsorientierung folgen. Es wird argumentiert, dass Lerninhalte mit Erlebnischarakter durch das episodische Gedächtnis zusätzlich enkodiert und gespeichert werden können, da sie Teil des individuellen Erfahrungsschatzes werden. Die vorgestellten Unterrichtsmethoden, darunter die Arbeit mit Standbildern und das Bauen „merk-würdiger Bilder“ (49) zur spielerischen Erarbeitung von Redewendungen, unterstützen durch Visualisierung, „lustvolle Wiederholung“ (48) und Performance-Charakter die Behaltensleistung und schaffen „Unterrichtssituationen mit Erlebnisqualität“ (56).

Entwicklungspsychologische und -physiologische Bemerkungen zu Teenagern als Zielgruppe dramapädagogischer Sprachenlernsettings bilden den Fokus des dritten Kapitels. Hier werden Warm-ups und Spiele vorgestellt, die innerhalb eines fiktionalisierten theatralen Raums einen sicheren „Schutzraum des Als Ob“ (71) für die Spieler*innen schaffen, positive Gemeinschaftserlebnisse ermöglichen und die Kreativitätsentwicklung der Lernenden einbeziehen. Durch das Eruieren von Charakteristika des Jugendalters sollen Strategien gefunden werden, die die Sprachenlernenden umfänglich in den Blick nehmen und optimal ansprechen und fördern. Nicht zuletzt dieses Kapitel offenbart den auf Ganzheitlichkeit ausgerichteten Ansatz der Darstellungen, der an Persönlichkeitsentwicklung interessiert und anhand kognitionswissenschaftlicher und didaktischer Theorien ausgerichtet ist.

In Motion ist systematisch in drei Schwerpunktbereiche gegliedert, theoretisch fundiert und gibt Unterrichtsimpulse aus der Theaterpädagogik. Diese sind, teilweise durch Anpassung an die spezifische Lern- und Altersgruppe, vielfach im Sprachunterricht einsetzbar. Durch die gelungene Symbiose von Theorie und Praxis eignet sich die kompakte Monografie vor allem auch für (angehende) Unterrichtende, die erste Einblicke in dramapädagogisches Lehren und Lernen gewinnen möchten, weitere inspirierende Beispiele für performatives Arbeiten im (Fremd-)Sprachenunterricht suchen oder sich für die neurowissenschaftlichen (Hinter-)Gründe interessieren. Die Literaturhinweise am Ende sind für jene hilfreich, die sich detaillierter mit dem Thema beschäftigen möchten. Der sehr systematische Aufbau des Buches ermöglicht außerdem eine einfache Handhabung, wodurch der Band auch punktuell, den eigenen Interessen und Schwerpunkten folgend, rezipiert werden kann. Auch die sprachliche Gestaltung und die Unterstützung der Unterrichtsanweisungen durch Illustrationen tragen zur Lesbarkeit bei. Somit ist den Autor*innen mit dieser Publikation gelungen, was sie sich zum Ziel gesetzt haben: „Lehrkräfte zu ermutigen, über einen bewegenden und bewegten Unterricht auf einer wissenschaftlichen Grundlage nachzudenken und konkrete Ideen in der Praxis umzusetzen“ (78).

Bibliografie

Oleschko, Sven (2017) (Hrsg.): Sprachsensibles Unterrichten fördern. Angebote für den Vorbereitungsdienst. https://www.stiftung-mercator.de/media/downloads/3_Publikationen/2017/Dezember/Sprachsensibles_Unterrichten_foerdern/Buch_Sprachsensibles-Unterrichten-foerdern.pdf [letzter Zugriff: 13.06.2019]

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