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1. Die Triglossie des Landes
1.1. Sprachrealität
Die Triglossie Luxemburgs stellt das Land und vor allem das Schulsystem immer wieder vor problematische Situationen, denn alle Bürger müssen in der Lage sein die drei offiziellen Sprachen des Landes zu beherrschen und sie auch im Alltag einsetzen zu können. Seit 1984 sind Französisch, Deutsch und Luxemburgisch die drei offiziellen Landessprachen, welche in verschiedenen Bereichen des Alltags gebraucht werden, sei es im beruflichen, privaten oder gesellschaftlichen Umfeld. Die meisten Familien luxemburgischer Abstammung sprechen zu Hause Luxemburgisch, einen moselfränkischen Dialekt, der 1984 als Nationalsprache anerkannt wurde.
Trotz seiner sprachengenealogischen Herkunft darf das Luxemburgische nicht als eine Variante des Deutschen angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine etablierte, standardisierte und kodifizierte Ausbausprache und ist heute – insbesondere unter funktionaler Perspektive – als neue germanische Nationalsprache anzusehen. (Bildungsstandards Sprachen 2008: 2-5)
Die luxemburgische Sprache hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte immer weiter weg von den germanischen Dialekten der Nachbarregionen entwickelt und vereint heute Einflüsse aus dem Französischen, Deutschen, aber auch Niederländischen oder sogar Italienischen, was vor allem durch die Tatsache zu erklären ist, dass Luxemburg bis vor gut hundertfünfzig Jahren abwechselnd von verschiedenen Nachbarländern beherrscht wurde und seit seiner Unabhängigkeit zu einem Einwanderungsland geworden ist. Durch den Einfluss der Nachbarländer Belgien, Frankreich und Deutschland auf die Sprachentwicklung hat es immer eine enge Verbundenheit zu diesen Staaten gegeben. Bis heute gibt es eine große Anzahl von Pendlern, die jeden Tag nach Luxemburg kommen, um in sämtlichen Wirtschaftsbereichen zu arbeiten.
Der luxemburgische Arbeitsmarkt wäre nicht funktionsfähig ohne die Mitarbeiter aus den Nachbarregionen, denn mehr als ein Drittel der Beschäftigten kommt aus einem der genannten Länder. Aus diesem Grund wird im Arbeitsalltag sehr oft Französisch gesprochen, so dass dies in vielen Bereichen die Berufssprache ist, während das Deutsche eher im Kundenkontakt, in den Printmedien und im Kulturbereich gebraucht wird. Bei Behördengängen können alle drei Sprachen benutzt werden. Allerdings werden sämtliche Gesetzestexte sowie der Schriftverkehr der Behörden oder Gemeinden auf Französisch verfasst. In Luxemburg ist es normal, im Laufe des Tages die drei Sprachen zu gebrauchen, und es ist dringend notwendig, vor allem das Französische und das Deutsche schriftlich sehr gut zu beherrschen, denn Briefe oder E-Mails werden in diesen Sprachen verfasst. Auch wenn in den letzten Jahren immer öfter der Wunsch geäußert worden ist, eine einheitliche Grammatik des Luxemburgischen zu entwerfen (was auch passiert ist), gibt es nach wie vor nur sehr wenige Leute, die die Grammatik auch beherrschen, weshalb Schriftverkehr auf Luxemburgisch eher selten ist. Während Luxemburgisch schon im ersten Grundschuljahr ein Schulfach ist, gibt es in der Sekundarschule nur noch eine Stunde in der siebten Klasse, in der die Schüler die Gelegenheit haben, die Literatur des Landes kennen zu lernen und einen Einblick in die Rechtschreibung und Grammatik der Sprache zu bekommen.
1.2. Schulrealität
Die beiden wichtigsten Sprachen im Schulsystem sind Deutsch und Französisch. In der ersten Klasse lernen die Schüler lesen und schreiben auf Deutsch, weil es sich hierbei um die Sprache handelt, die von der Struktur her dem Luxemburgischen am nächsten ist, und gleichzeitig über eine festgesetzte Grammatik und Rechtschreibung verfügt. Das Luxemburgische weist nur einen begrenzten Wortschatz auf, weshalb es auch sehr schwierig wäre, die Kinder in dieser Sprache in sämtlichen Fächern zu unterrichten. Durch mehr oder weniger ausgeprägten Medien- und vor allem Fernsehkonsum sind viele Grundschüler in der ersten Klasse bereits in der Lage, ein paar deutsche Sätze verstehen, was sehr hilfreich am Anfang des Sprachunterrichts sein kann. Trotzdem muss bedacht werden, dass die meisten Kinder in diesem Alter nur eine Sprache beherrschen, vor allem, weil in vielen Familien nur Luxemburgisch gesprochen wird. Der Eintritt in die Grundschule stellt in diesem Fall eine doppelte Schwierigkeit dar, denn die Schüler werden in eine Fremdsprache eingeführt, in der sie dann gleichzeitig Lesen und Schreiben lernen sollen. Im zweiten Schuljahr beginnt dann auch noch der Französischunterricht, so dass die Schüler im Alter von sieben Jahren bereits die drei Sprachen in Grundzügen beherrschen. Eine große Schwierigkeit stellt hierbei die Tatsache dar, dass die romanische sich in vielen Fällen von der germanischen Sprachstruktur unterscheidet, was für viele luxemburgische Schüler ein Problem darstellt, mit dem sie während ihrer ganzen Schullaufbahn zu kämpfen haben. Das schulische Wissen kann in den meisten Fällen noch gelernt werden, seien es Vokabeln, Grammatikübungen oder sogar der stilistische Aufbau eines Textes. Aber sobald sich die Kinder oder Jugendlichen frei ausdrücken, sind sie gehemmt, denn der gesellschaftliche Umgang mit der Sprache wird in der Schule nicht weiter beachtet oder gefördert.
Aus diesem Grund ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele Abiturienten durchaus in der Lage sind, eine schriftliche Abhandlung zu Camus oder Voltaire zu verfassen, gleichzeitig aber Angst vor einem Arztbesuch haben, weil sie sich nicht zutrauen, ihre Beschwerden auf Französisch richtig formulieren zu können. Die mündlichen Kompetenzen werden im Fremdsprachenunterricht sehr oft vernachlässigt und müssten in Zukunft viel stärker gefördert werden. Es sollten Methoden erprobt werden, die die Schüler befähigen auch in Sprachnotsituationen verbal agieren zu können.
1.3. Migration
Neben den luxemburgischen Schülern gibt es aber auch eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sei es, weil sie aus einer Migrantenfamilie stammen oder erst vor kurzem nach Luxemburg eingewandert sind. Fast die Hälfte aller Schüler ist ausländischer Abstammung und spricht zu Hause nicht luxemburgisch, wenn mindestens ein Elternteil eine andere Muttersprache hat (im Schuljahr 2005/2006 waren es 43%). Diese Schüler kommen zu einem großen Teil aus einer romanischen Kultur, vor allem aus Portugal (73% der Migrantenkinder), manchmal auch aus Italien oder Frankreich. In den letzten zehn Jahren gab es auch eine Menge Einwanderer aus den ehemaligen jugoslawischen Staaten, was den Sprachenunterricht bis heute sehr stark beeinflusst. Kinder, welche zu Hause Französisch, Portugiesisch, eine jugoslawische Sprache oder aber auch Arabisch sprechen, müssen bis zu ihrer Einschulung mindestens zwei weitere Sprachen lernen, um sich überhaupt mit den anderen Kindern verständigen zu können. Vor allem für Menschen mit einer romanischen Muttersprache stellt das Französische die Verbindungssprache zur Gesellschaft dar. Aus diesem Grund lernen viele Kinder in der Vorschule zunächst Französisch, um sich mit den Klassenkameraden verständigen zu können, gleichzeitig stellt das Luxemburgische die Unterrichtssprache dar, so dass die Kinder im zweiten Jahr, also mit fünf Jahren, in der Lage sein sollten, diese Sprache zu beherrschen. Ohne Grundkenntnisse der luxemburgischen Sprache wird kein Kind in die Grundschule aufgenommen, weil es nicht in der Lage wäre, den Einschulungsprozess auf Deutsch zu bewältigen. Viele Schüler müssen also in ihrer vierten Sprache Lesen und Schreiben lernen, was ihnen von Anfang an Schwierigkeiten bereitet und somit oft den Weg zu einer höheren Schullaufbahn verschließt. Gleichzeitig ist es absolut verständlich, dass die Kinder so Probleme haben dem Unterricht zu folgen, weil sie nicht in der Lage sind, die komplexen kognitiven Prozesse zu bewältigen, die von ihnen verlangt werden.
Aus diesem Grunde wäre es angebracht, den Kindern die Möglichkeit zu geben die deutsche Sprache durch ganzheitliche Lernmethoden zu erlernen, damit die Schüler neben der kognitiven Förderung mit dem ganzen Körper lernen können, was ihnen in vielen Fällen den Zugang zu der Sprache erleichtert. Gleichzeitig erhalten sie die Möglichkeit, ihre individuellen Verhaltensweisen einzubringen, aber auch die kulturell unterschiedliche nonverbale Kommunikation kennen zu lernen.
2. Inwiefern kann Dramapädagogik den Deutschunterricht unterstützen?
Die oben dargestellte Besonderheit des Sprachunterrichts in Luxemburg verlangt in vielen Fällen eine individuelle Methodik, die den besonderen Bedürfnissen der hiesigen Schüler angepasst ist. Nicht erst nach dem Pisaschock im Jahre 2001 wurde deutlich, dass das heutige Schulsystem in vielen Fällen die Schüler nicht mehr angemessen erreichen und fördern kann. Gerade durch die Situation des Landes, das durch seine Größe auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern angewiesen ist, spielt die Sprache im Bildungsprozess der Schüler eine wichtige Rolle. In den letzten sieben Jahren wurde versucht, das Schulsystem zu reformieren und vor allem den Sprachenunterricht so zu gestalten, dass die Schüler kompetenzorientiert unterrichtet werden. Für jedes zweite Schuljahr werden Kompetenzstandards festgelegt, sei es im schriftlichen, verbalen oder im Verständnisbereich. Früher wurde immer nur eine Note vergeben, und ein Schüler, der sehr gut im Auswendiglernen war, konnte sich durch Vokabeltests oder Grammatikprüfungen durch die Schule mogeln, auch wenn er nicht in der Lage war sich verbal zu äußern.
In einem festgesetzten Plan mit dem Titel „le reajustement des langues“ gab das Bildungsministerium einen Wegweiser vor, nach welchem in Zukunft der Sprachunterricht aufgebaut werden soll, um die Schüler besser auf ihr späteres Leben vorbereiten zu können.
2.1. Dramapädagogik im Sprachunterricht
Dramapädagogische Methoden finden vor allem Eingang in den mündlichen Sprachunterricht, wo die Schüler die Möglichkeit haben sollen, verschiedene Kommunikationssituationen zu erproben und diese zusammen mit ihren Klassenkameraden zu gestalten. Anders als bei den vorher üblichen Lerndialogen, die bis heute häufig in verschiedenen Unterrichtsbüchern zu finden sind, werden hier reale Situationen durchgespielt. Das dramatische Potenzial des Spiels verleitet die Schüler dazu, immer wieder in andere Rollen zu schlüpfen und Alternativen zu ihrem normalen Verhalten zu testen, so dass sie immer wieder in der Fremdsprache improvisieren müssen.
Auch die oben angesprochene nonverbale Kommunikation spielt eine wichtige Rolle. Es kommt sehr oft vor, dass ein Verhalten in einer Situation von verschiedenen Schülern anders interpretiert wird, je nachdem welchen sozialen und kulturellen Hintergrund sie haben bzw. mitbringen. In diesem Sinne ermöglicht der Unterricht mit dramapädagogischen Mitteln auch gleichzeitig ästhetisches und soziales Lernen, denn die Kinder und Jugendlichen haben die Möglichkeit, in vielfältiger Art und Weise neue Erfahrungen zu sammeln. In verschiedenen Schulen wird es immer normaler, dass im Sprachunterricht improvisiert und gespielt wird, um in der Klassengemeinschaft die verschiedenen Sprachen auch praktisch anwenden zu können. In der technischen Sekundarschule erhalten die Schüler in den drei Teilbereichen des Unterrichts einzelne Noten, so dass auch die verbalen Fähigkeiten gesondert berücksichtigt werden und damit in den Mittelpunkt des Unterrichtes rücken, was bisher eher wenig der Fall war. Es fällt auf, dass sowohl Kinder wie auch Jugendliche, die ganzheitliche Lernmethoden im Unterricht kennen lernen durften, viel freier mit der deutschen, aber auch der französischen sowie der englischen Sprache umgehen und eher in der Lage sind, eigene Schriftstücke zu verfassen oder sich mit anderen Leuten zu unterhalten.
Die Anwendung der verschiedenen Sprachen wird vor allem beim Eintritt ins Berufsleben sehr wichtig. Als Lehrerin einer Ausbildungsklasse für sozialpädagogische und pflegerische Berufe konnte ich feststellen, dass viele meiner Schüler sich im Umgang mit ihren Adressaten und Mitarbeitern schwer taten. Es fiel ihnen schwer, sich auf Französisch und Deutsch auszudrücken, was am Anfang der Ausbildung ein großes Problem darstellte. Aus diesem Grund integrierte ich Dramapädagogik in den Deutschunterricht um ihnen die Möglichkeit zu geben, solche Sprachnotsituationen zu üben und sich im Improvisieren zu üben. Da neben dem Sprachproblem auch der Umgang mit den pflegebedürftigen Adressaten eine Schwierigkeit darstellte, bot ich vor allem Übungen an, die dem beruflichen Umfeld angepasst waren.
So hatten die Schüler zum Beispiel die Aufgabe eine Szene zu gestalten, wo der Pflegehelfer auf einen deutschsprachigen Adressaten und dessen Familie trifft, die nicht zufrieden mit seiner Arbeit sind. In der dargestellten Improvisation mussten die Schüler versuchen, in der Fremdsprache die Situation zu klären, und gleichzeitig hatten sie die Möglichkeit, neue Verhaltensweisen auszutesten. Auch das Darstellen der Adressaten oder Mitarbeiter stieß auf großes Interesse; alltägliche oder aber konfliktreiche Situationen konnten von einem anderen Blickwinkel aus getestet werden.
Nach neun Monaten regelmäßiger Arbeit mit Dramapädagogik im Deutschunterricht bestätigen die Schüler, dass sie jetzt viel weniger Kommunikationsschwierigkeiten bei der Arbeit haben. Gleichzeitig genossen sie auch die Möglichkeit, im Unterricht die unterschiedlichsten Situationen durchzuspielen, so dass sie auch im Berufsalltag viel spontaner und flexibler auf ihre Mitmenschen reagieren können. In diesem Fall konnten die Fächer Deutsch und fachspezifische Kommunikation interdisziplinär arbeiten, was den Schülern sehr gut gefiel.
In besonderen Eingliederungsklassen für Schüler, die erst vor kurzem nach Luxemburg immigriert sind und keine der drei Landessprachen beherrschen, lernen die Jugendlichen erst einmal das Französische um in der Lage zu sein, sich mit ihrer Umgebung zu verständigen. Diese Schüler haben ein Jahr lang Zeit, sich die Grundkenntnisse anzueignen, ehe sie in den normalen Unterricht integriert werden. Die meisten verfügen über keine Vorkenntnisse und müssen die Sprache von Grund auf lernen.
Auch in diesen Klassen eignet sich der Gebrauch von Dramapädagogik, vor allem um die mündlichen Fertigkeiten der Schüler zu fördern. Aus diesem Grund hatte eine solche Eingliederungsklasse im letzten Schuljahr die Möglichkeit, neben dem normalen Sprachunterricht auch an Theaterkursen teilzunehmen, um dort das Französische über einen anderen Weg kennen zu lernen. Vor allem am Anfang halfen die Bewegungsspiele den Jugendlichen, ihr Ausdrucksrepertoire zu erweitern, weil sie lernten sich durch die nonverbale Kommunikation zu verständigen, sich aber auch darin übten zu improvisieren. Diese Übungen waren sehr wichtig im Hinblick auf Sprachnotsituationen, in die diese Jugendlichen bereits oft geraten sind und denen sie bis dahin nicht gewachsen waren.
Weil sie ihre Fortschritte sowohl im Mündlichen wie auch im Schriftlichen noch besser ausbauen wollten, entschieden die Schüler selbst, weiter im theaterpädagogischen Bereich zu arbeiten. Sie hatten sich vorgenommen, zusammen ein Theaterstück zu erarbeiten und dieses beim Sommerfest der Schule aufzuführen. In einer intensiver Probenarbeit entstand das Stück „ La fille de la mer“, das von der unglücklichen Liebesbeziehung zweier junger Menschen erzählt, die leider nicht zueinander finden können, weil das Mädchen eine Meerjungfrau und ihr Geliebter ein Erdbewohner ist.
Trotz der anfänglichen Ausdrucksschwierigkeiten im Französischen arbeitete die Gruppe sehr engagiert, so dass sie am Ende des Schuljahres in der Lage waren, beim Sommerfest aufzutreten. Durch die dramapädagogische Arbeit konnten diese Schüler einen aktiven und lebendigen Zugang zur Fremdsprache finden und sich darin so weit entwickeln, dass sie bereits in ihrem ersten Jahr in der luxemburgischen Schule in der Lage waren, an einer Vorstellung mitwirken konnten. Diese wurde nicht nur von den Besuchern des Sommerfestes begeistert aufgenommen – die Jugendlichen wurden sogar vom Ministerium eingeladen, auch in den anderen Eingliederungsklassen im Land zu spielen, um auch andere Immigranten-Schüler zu motivieren.
2.2. Dramagrammatik
Vor allem die jüngeren Lehrer, die während ihres Studiums die Möglichkeit hatten Erfahrungen mit Dramapädagogik zu sammeln, entschließen sich dazu, auch einmal im Grammatikunterricht auf dramapädagogische Methoden zurückzugreifen. Das Unterrichten durch Bewegung und Darstellung hilft vielen Schülern, Vorgänge besser zu begreifen und später auch anwenden zu können.
Als Beispiel sei hierfür ein Präpositions-Hindernis-Parcours genannt, wo die Schüler einer achten Klasse durch das Erleben und Austesten eines Labyrinths im Klassensaal Präpositionen kennen lernen konnten. In dieser Klasse gibt es eine Reihe von Schülern, die noch nicht sehr lange im Land sind und erst seit kurzem Deutsch lernen. Auch wenn sie gute Fortschritte machen, fällt in einigen Bereichen auf, dass sie viele Begriffe nicht richtig verstehen. Auch der richtige Gebrauch der Präpositionen stellte ein Problem dar. Aus diesem Grund hatten die Jugendlichen die Aufgabe mit dem Mobiliar des Klassenzimmers ein Labyrinth aufzustellen und dann ihre Mitschüler umher zu lotsen. Am Anfang sollten die Schüler sich an die verschiedenen Präpositionen erinnern, deshalb wurde das Labyrinth durchquert, indem die Klassenkameraden entsprechende Anweisungen gaben. Später durchquerten die Schüler das Labyrinth mit geschlossenen Augen. Solche kleinen Übungen können ohne viel Aufwand in den Unterricht integriert werden und erfreuen die Schüler, weil sie sehr schnell merken, welche Fortschritte sie dadurch machen. Im Luxemburger Schulsystem wäre es nicht möglich einen reinen Dramagrammatik-Unterricht anzubieten, weil die vorgeschriebenen Lehrziele einen relativ hohen Zeitdruck bei den Lehrern erzeugen und oft nur sehr wenig Zeit für die Bearbeitung der einzelnen Kapitel bleibt. Trotzdem lässt sich feststellen, dass die Integration von Dramagrammatik den Unterricht positiv beeinflusst und sich auch immer wieder Gelegenheiten bieten, Übungen einzubinden.
2.3. Dramapädagogik im Literaturunterricht
Auch im Literaturunterricht können dramapädagogische Ansätze sehr hilfreich sein, vor allem in der Sekundarschule, wo sehr viel mit Texten und Büchern gearbeitet wird. Das fällt vielen Schülern schwer, wenn sie die Unterrichtssprache nicht so gut beherrschen. Das Lesen selbst bedeutet bereits eine große Anstrengung; sie fühlen sich von Literatur nicht angesprochen und verweigern immer öfter die Mitarbeit. Verfahren der szenischen Interpretation können motivationsfördernd eingesetzt werden, denn durch die die aktive Auseinandersetzung mit dem Text überwinden viele Jugendliche oft die Scheu vor der Fremdsprache. Durch das Verfassen von Rollenbiografien, das Erfinden und die Weiterführung von Dialogen, beim Einfühlen und bei der Darstellung von Personen haben sie die Möglichkeit, sich ganzheitlich mit Literatur zu beschäftigen und sich selbst ins Unterrichtgeschehen einzubringen.
In vielen Fällen werden auch Schüler aktiv, die sich sonst nicht trauen am Unterricht teilzunehmen, weil sie der Meinung sind, die Sprache nicht genug zu beherrschen und dadurch gehemmt sind. Ziel des Unterrichts ist hierbei nicht, eine Aufführung zu Stande zu bringen, sondern sich im Klassenverband einem Text spielerisch zu nähern, wobei die Schüler neue Erfahrungen machen und ein positiveres Verhältnis zur Literatur aufbauen können. Auch romanophone Schüler können an einem derart gestalteten Deutschunterricht gut teilnehmen. Sie werden nicht darin bewertet, wie gut sie Deutsch reden oder schreiben, einzig ihre Beteiligung ist schon ein richtiger Erfolg sowohl für sie als auch für die Lehrenden.
Die Anwendung von Dramapädagogik im Literaturunterricht kann in sämtlichen Schulformen stattfinden, denn die einzelnen Einheiten lassen sich auf die Bedürfnisse der Schüler abstimmen. Der Lehrplan der Hauptschule sieht für die zehnte Klasse das Kennenlernen verschiedener Literaturgattungen vor. Die größtenteils männlichen Schüler meiner Klasse waren am Anfang des Schuljahres sehr wenig motiviert, weil sie die Arbeit mit Texten oder Büchern nicht anregend fanden. Nur sehr wenige Schüler beteiligten sich am Unterricht oder an Diskussionen, weil sie sich teilweise einfach nicht angesprochen fühlten. Erst bei der Bearbeitung von Krimis wurde ihr Interesse geweckt, weshalb ich diese Texte als Ausgangsbasis für ein dramapädagogisches Projekt nahm. Die Jugendlichen wählten eine Figur aus einem Krimi, zu der sie eine Biografie verfassten, aus deren Sicht sie den Text weiter erzählten und die sie dann später auch in Improvisationen und Rollenspielen darstellten. Zum Schluss schrieben sie zusammen ein Krimihörspiel, bei dem sie die ausgewählten Figuren spielten. Nach der Aufnahme im Studio des Schulradios bekam jeder Schüler ein Exemplar des selbstverfassten Werkes, das beim diesjährigen Schulfest auch den anderen Klassen vorgestellt werden wird.
2.4. Ästhetische Bildung
Auch die kulturelle Bedeutung von Dramapädagogik für Kinder und Jugendliche darf nicht außer Acht gelassen werden. Anders als in vielen europäischen Ländern war es bis jetzt nicht normal in Luxemburg, dramapädagogische Methoden in den Unterrichtsalltag zu integrieren. Auch wenn es im sechzehnten Jahrhundert ein Jesuiteninternat gab, in welchem das Theaterspiel sehr stark vor allem auch im Sprachunterricht als Unterrichtsmaßnahme gefördert wurde (Theater in Luxemburg 1939: S.15-18), so ging diese Tradition nach der Schließung des Internats verloren und wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten leider auch nicht mehr weitergeführt. Während zum Beispiel in Deutschland eine mehr oder weniger lebhafte Diskussion geführt wird, ob in allen Bundesländern das Fach Darstellendes Spiel an sämtlichen Schulen eingeführt werden soll, ist dieses Thema in Luxemburg bis jetzt offiziell noch nie zur Sprache gekommen.
Auch in den Unterrichtsplänen findet man in den letzten fünfzig Jahren nur sehr spärliche Hinweise, dass die Lehrer dramapädagogische Mittel im Sprachunterricht benutzen sollen. Wenn überhaupt werden Rollenspiele angeboten um z.B. Schüler auf berufliche Situationen vorzubereiten. Der Aspekt der ästhetischen Bildung beziehungsweise des ganzheitlichen Lernens kommt nirgends zu Sprache, nur in neueren Abhandlungen über die Umgestaltung Sprachunterricht finden sich manche Hinweise, dass Lernen durch Bewegung den Unterrichtsprozess positiv beeinflussen könnte. Prinzipiell gibt es diese Ansätze der Integrierung von Dramapädagogik im Sprachunterricht also seit einiger Zeit, doch obwohl diese auch vom Bildungsministerium geschätzt und gewünscht werden, gibt es nach wie vor in vielen Schulen Berührungsängste, die sich nur sehr schwer abbauen lassen. Deshalb ist es wichtig, vor allem in der Lehrerausbildung darauf zu achten, den Anwärtern diese Methodik näher zubringen, um sie immer stärker in den Unterrichtsalltag zu integrieren.
3. Ausblick und Schlussfolgerung
Dramapädagogik im Sprachunterricht könnte in Zukunft in den luxemburgischen Schulen eine wichtige Rolle spielen, wenn sowohl das Ministerium wie auch die Lehrer bereit sind, neue Methoden zu erproben und in den Unterricht zu integrieren. Die aktuelle Umstrukturierung des Sprachunterrichtes fordert eine größere Beachtung der mündlichen Fähigkeiten der Schüler, die zum Beispiel durch dramapädagogische Mittel sehr intensiv gefördert werden könnten. Auch der Aspekt der ästhetischen Bildung rückt immer mehr in die Wahrnehmung von Fremdsprachenpädagogen, so dass für die nächsten Jahre interessante Entwicklungen erhofft werden können. Zwar gibt es derzeit in Luxemburg erst zaghafte Schritte in diese Richtung, doch könnte – in Anlehnung an die positiven Erfahrungen in den Schulsystemen der umliegenden Länder – Dramapädagogik künftig einen wichtigen Platz im Sprachenunterricht einnehmen.
Bibliographie
Bildungsstandards Sprachen (2008): Leitfaden für den kompetzenorientierten Sprachenunterricht an Luxemburger Schulen. Luxemburg: Ministère de l’Education Nationale
Even, Susanne (2003): Drama Grammatik. Dramapädagogische Ansätze für den Grammatikunterricht Deutsch als Fremdsprache. München: iudicium
Hicter, Marcel (1952): L’Éducation par l’Art dramatique. Brüssel: Sous-Comité des Oeuvres de Jeunesse
Hurt, Joseph (1939): Theater in Luxemburg. 1. Teil. Von den Anfängen bis zum heimatlichen Theater 1855. Luxemburg: Jong-Hemecht
Müller, Jürgen Eugen (2007): Lernen braucht Bewegung. Exkurs zu einer Lehrerfortbildung mit dem gleichen Titel. Köln: Verlag unbekannt
Müller, Thomas (2008): Dramapädagogik und Deutsch als Fremdsprache: Eine Bestandsaufnahme. Vdm Verlag Dr. Müller
O`Neill, Cecily (2006): Structure and Spontaneity The Process Drama of Cecily O’Neill. Trentham Books
Schewe, Manfred (1993, 2003): Fremdsprache inszenieren. Zur Fundierung einer dramapädagogischen Lehr- und Lernpraxis. Oldenburg: Didaktisches Zentrum, Universität Oldenburg
Schewe, Manfred / Shaw, Peter (eds) (1993): Towards Drama as a Method in the Foreign Language Classroom. Frankfurt/M.: Peter Lang