Vorwort

Jahrgang IV, Ausgabe 1, 2010, doi:10.33178/scenario.4.1.0
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Liebe Scenario Leserinnen und Leser,

besten Dank den beiden Herausgebern Susanne Even und Manfred Schewe für die Möglichkeit, in dieser siebten Ausgabe von SCENARIO über die Arbeit in der AG „Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht“ berichten zu können, die im Rahmen des 23. Kongresses für Fremdsprachendidaktik der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) vom 30.9. bis zum 3.10.2009 an der Universität in Leipzig / Deutschland stattfand. Drei der in dieser Ausgabe vorgestellten Beiträge (s. Wedel, Haack, Cieślak weiter unten) sind ausgearbeitete Texte, die aus Vorträgen hervorgegangen sind, die in der Arbeitsgruppe gehalten wurden. Diese Texte werden ergänzt durch einen programmatischen Beitrag von Wolfgang Hallet sowie durch einen dramapädagogischen Unterrichtsvorschlag von Steffi Retzlaff zum Thema ‚Leben mit der Mauer’.

In der Rubrik Texte ums Theater wird ‚Ein Schauspieler‘ vorgestellt, ein kurzer Text des schweizerischen Schriftstellers Robert Walser (1878 – 1956).

Die Dramapädagogik gilt nicht zuletzt mit Erscheinen von SCENARIO als ein etablierter und anerkannter Ansatz im Fremdsprachenbereich. In der Deutsch-als-Fremdsprache-Didaktik ist die Dramapädagogik schon seit etlichen Jahren eine feste Größe im Konzert der vielfältigen Ansätze zur Sprachvermittlung. In anderen Bereichen, wie z.B. der Englischdidaktik im deutschsprachigen Raum, nimmt sie, so scheint es, erst seit einigen Jahren so richtig Fahrt auf. Die Dramapädagogik eröffnet der Fremdsprachendidaktik spannende neue Bezugsfelder wie die Theaterpraxis und die Theater- und Kunstwissenschaft mit großem Potenzial für die Entwicklung von innovativen methodischen Lehr- und Lernkonzepten. In Übereinstimmung mit etablierten fremdsprachendidaktischen Ansätzen wie der Schüleraktivierung, der Handlungsorientierung, des Task-Based Language Learning, den kooperativen Methoden sowie allen voran dem inter- bzw transkulturellen Lernen orientiert sich die Dramapädagogik an einem ganzheitlichen Menschenbild und ist der Persönlichkeitsentwicklung der Fremdsprachenlernenden (intercultural speakers) verpflichtet. Stärker als andere Ansätze integriert die Dramapädagogik jedoch die performative Dimension des (Fremd-) Sprachenlernens wie Bewegung, Körperlichkeit und Interaktion, so dass ihr ein besonderes Potenzial zur Entwicklung interkultureller Handlungskompetenzen zugeschrieben werden kann.

Diese Ausgabe wird daher auch mit dem Beitrag, Performative Kompetenz und Fremdsprachenunterricht von Wolfgang Hallet (Gießen) eröffnet. Wolfgang Hallet nähert sich darin einem Begriff, der in verschiedenen Disziplinen seit langem zwar eine prominente Rolle spielt, aber auch für die Fremdsprachendidaktik bislang noch nicht systematisch konzeptionalisiert wurde. Das Konzept der ‚Performativen Kompetenz’ wird in seinem Beitrag äußerst facettenreich betrachtet und fundiert dargestellt und mündet schließlich in einer umfassenden Definition, die wir hier der SCENARIO-Leserschaft zur Diskussion stellen möchten.

Im Anschluss daran erörtert Heike Wedel (Berlin) in ihrem Beitrag Alles auf den Kopf stellen das besondere Potenzial des Faches Darstellendes Spiel für das interkulturelle Lernen. Sie geht zunächst von der Feststellung aus, dass das Darstellende Spiel im Bereich des muttersprachlichen (Deutsch-) Unterrichts zwar fest etabliert ist, als bilinguales Sachfach bislang jedoch keine Rolle spielt. Anders als im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht, in dem Dramakonventionen und Elemente aus dem Bereich des Theaters vor allem für die Entwicklung der (fremd-) sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen nutzbar gemacht werden, sieht Heike Wedel das große Potenzial im bilingualen Fach Darstellendes Spiel im Bereich der integrativen Entwicklung von fremdsprachlichen und theaterästhetischen Handlungskompetenzen. Die Grundlegung für das bilinguale Fach Darstellendes Spiel entwickelt Heike Wedel am Beispiel des Englischunterrichts im deutschsprachigen Raum.

Als drittes widmet sich Adrian Haack (Göttingen) in seinem Beitrag KünstlerInnen der improvisierten Aufführung der spannenden Frage, welche Kompetenzen zukünftige Fremdsprachenlehrende eigentlich mitbringen müssen, wenn sich Dramapädagogik als ernst zu nehmender Ansatz in der Fremdsprachendidaktik etabliert hat. Darüber hinaus fordert er performative Elemente schon in der universitären Lehrerausbildung an den Universitäten ein, um den angehenden LehrerInnen ein Grundverständnis vom Lehrberuf als eine Kunst zu vermitteln.

Steffi Retzlaff (Ottawa) liefert mit ihrem Beitrag eine dramapädagogische Annäherung an das Thema Leben mit der Mauer – ein Thema, das in Deutschland im vergangenen Jahr 2009 anlässlich des Mauerfalls vor zwanzig Jahren einen besonderen Stellenwert hatte. Die Autorin berichtet hier von einer Unterrichtseinheit, die auf dem Text Schießbefehl von Reiner Kunze basiert und von ihr selbst unterrichtet wurde mit dem Ziel, ein auf den ersten Blick vermeintlich unzugängliches Thema für Sprachkursteilnehmende körperlich-sinnlich erfahrbar zu machen und ihnen damit Erfahrungen näherzubringen, die nicht Teil ihrer eigenen Lebenswirklichkeit darstellen.

Den Abschluss bildet der Beitrag ‚Vom Text zum Bild’ von Renata Cieślak, der sich auf der Mikroebene des Unterrichts mit einem speziellen Aspekt der täglichen Arbeit von Fremdsprachenlehrenden auseinandersetzt: der Textbucharbeit. Im Rückgriff auf die Dramapädagogik entwickelt die Autorin eine Reihe von unterrichtspraktischen Vorschlägen zur Ergänzung der herkömmlichen Textbucharbeit für den Deutsch als Fremdsprache-Bereich. Sie argumentiert, dass die Textarbeit nicht zwangsläufig vom im Textbuch vorhandenen Bildmaterial ausgehen muss, sondern auch den umgekehrten Weg gehen kann – vom Text zum Bild – um dabei vor allem auch die Imaginationsfähigkeit der Lernenden zu fördern.

Abschließend möchten wir noch kurz die Ergebnisse der Diskussionen in der Arbeitsgemeinschaft Dramapädagogik in Leipzig skizzieren (detaillierte Informationen sind unter http://www.uni-leipzig.de/dgff2009/programm/ag9.html zu finden).

In anregenden, kritischen und konstruktiven Gesprächen verwiesen die DiskussionsteilnehmerInnen der AG auf etliche offene Fragen und formulierten folgende Desiderata für den Bereich Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht:

Man darf jedenfalls gespannt sein, welche Impulse zukünftig von der Dramapädagogik auch für die sich im Gange befindenden fremdsprachendidaktischen Diskussionen um Transkulturalität und transkulturelles Lernen oder um (auch performative) Lehrkompetenzen und kompetenzorientierte Lehrerbildung ausgehen werden. Ein Bedürfnis unter den Teilnehmenden war es daher, über die Fächergrenzen hinaus über diese Fragestellungen im Dialog zu bleiben, sich weiter zu vernetzen und Einzelaspekte in anderen Kontexten zu vertiefen. Wir hoffen, dass diese Scenario-Ausgabe dazu einen Beitrag leisten kann und wünschen erst einmal eine anregende Lektüre.

Die Gastherausgeberinnen

Almut Küppers und Carola Surkamp

Frankfurt/Gőttingen, 5. Juli 2010

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