Vorwort

Jahrgang IX, Ausgabe 2, 2015, doi:10.33178/scenario.9.2.1
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Liebe Scenario Leserinnen und Leser,

Obgleich thematisch breit gefächert, haben doch fast alle Artikel dieser Ausgabe eine Gemeinsamkeit: sie basieren auf Beiträgen, die auf der Konferenz “Drama und Theater im Zweit- und Fremdsprachenunterricht” im Juli 2015 an der Hochschule Reutlingen präsentiert wurden. Ich freue mich daher, Ihnen als Gastherausgeberin dieser Ausgabe hier einen kleinen Einblick in das vielfältige Programm der Konferenz geben zu können. Die Konferenz richtete sich an Forschende und Praktiker gleichermaßen und Ziel war es, einen Erfahrungsaustausch von Dramapädagogik-Interessierten nicht nur aus Deutschland – dazu in der Konferenzausgabe beispielhaft vertreten zwei Beiträge aus Italien – zu ermöglichen.

In ihrem Artikel Nachhaltige dramapädagogische Sprachförderung für Grundschulkinder mit DaZ beschäftigen sich Sophie Charlotte Rummel und Doreen Bryant (Uni Tübingen) mit dem Problem der Nachhaltigkeit von Sprachcamps im DaZ-Bereich und wie die Universität und Stadt Tübingen diese Nachhaltigkeit durch AGs für Grundschüler mit Sprachförderbedarf im Deutschen zu gewährleisten versuchen. Nach einem Rückblick auf Konzept und Durchführung der Tübinger Sprachcamps werden Konzept und beispielhaft einige Abläufe der 2015 eingerichteten AGs beschrieben. Eine Besonderheit der AGs ist, dass sie die GrundschülerInnen mit dramapädagogischen Methoden auf die bildungssprachlichen Anforderungen des Schulfachs MENUK (Mensch, Natur, Umwelt, Kultur) vorbereiten sollen.

Jonathan Sharp (Uni Tübingen) berichtet in seinem Artikel Macbeth in the Higher Education English Language Classroom von der Durchführung eines Sprachpraxisseminars im Fach Anglistik der Universität Tübingen. Ein Semester lang beschäftigten sich die Studierenden – die sich aus Lehramts- sowie anglistischen Bachelorstudiengängen rekrutierten – dramapädagogisch mit den vielen Facetten von William Shakespeares Macbeth. Die kursbegleitend durchgeführte Evaluation des Kurses durch die Studierenden ergab, dass die Studierenden das Seminar in Bezug auf den sprachlichen Lernzuwachs als nicht mehr oder weniger effektiv als andere Sprachpraxiskurse bewerteten. Sie berichteten jedoch einen hohen Lernzuwachs im Bereich ästhetisches Lernen und Wertschätzung der literarischen Aspekte.

Um ein multinationales Forschungsprojekt geht es im Projektbericht Dramapädagogische Elemente im Leseförderprojekt „Mehrsprachiges Lesetheater“ (MELT) von Kerstin Theinert (PH Weingarten), Angelika Ilg (PH Vorarlberg), Sabine Kutzelmann (PH St. Gallen), Ute Massler (PH Weingarten) und Klaus Peter (PH Vorarlberg). Forschende und Lehrende aus fünf Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Luxemburg) beschäftigen sich im Rahmen des EU-Projektes MELT (2014–2017) mit der Entwicklung eines didaktisch-methodischen Designs für ein Unterrichtsprojekt zur Förderung der Leseflüssigkeit für SchülerInnen der Klassen 5-8. Der Artikel zeigt, wie dramapädagogische Elemente sich in das Unterrichtsdesign einfügen und das eigentliche Lesetheater vorbereiten und ergänzen.

Michaela Reinhardt (Università del Piemonte Orientale) schildert in ihrem Praxisbericht 900,– Euro! oder Dreigroschen: Kollektive und Individuelle Schaffensprozesse bei der Erarbeitung eines Theaterstückes das Ineinandergreifen von individuellen und kollektiven Schaffensprozessen im Rahmen universitärer Theaterkurse (Deutsch als Fremdsprache), die unter dem Namen TiLLit (Teatro in Lingua – Lingua in Teatro) von der Universität in verschiedenen Fremdsprachen als Wahlfach angeboten werden.Wie die Kursleiterin beobachtete und wie auch Befragungen der Lernenden bestätigen, schätzen die Studierenden es sehr beispielsweise bei der komplett freien Erarbeitung eines Stücks (Vorgehensweise 1) bzw. bei der Gestaltung von Rollen auf Grundlage eines existierenden Stücktextes (Vorgehensweise 2) selbst schöpferisch tätig zu werden.

Ausgehend ebenfalls vom TiLLit Projekt befasst sich Umberto Capra (Università del Piemonte Orientale) in seinem Beitrag Motion and Emotion on the Language Learning Stage mit den Prozessen, die sich beim Sprachenlernen abspielen und diskutiert, wie Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften dazu beitragen können, dramapädagogisch orientierte Sprachlehrmethodologien wissenschaftlich abzusichern und zu rechtfertigen.

In seinem Essay Fear and Trembling - The Role of 'Negative' Emotions in a Performative Pedagogy schlägt John Crutchfield (FU Berlin) einen Bogen von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zu Emotionen beim Fremdsprachenlernen über eine philosophische Betrachtung der Eigenschaften eines “guten” Lehrers, die auch ein Verständnis des Lehrens als Kunst beinhalten, hin zur Rolle 'negativer' Emotionen wie Angst und Nervosität beim Lernen und Lehren von Fremdsprachen. Er schildert, wie eine künstlerische Ausbildung von Lehrern diese für das produktive Potential so genannter 'negativer' Emotionen sensibilisieren kann.

Abigail Paul (Theatre Language Studio, Frankfurt) beleuchtet schließlich in ihrem Praxisfenster Incorporating Theatre Techniques in the Language Classroom die Verbindungen zwischen kommunikativem Fremdsprachenunterricht und Grundsätzen des Improvisationsthaters, wie sie von Viola Spolin, Augusto Boal und Keith Johnstone begründet wurden. Sie beschreibt eine Reihe von Improvisationsübungen – teilweise Variationen klassischer Formate – und wie sie im Fremdsprachenunterricht zur Förderung einer entspannten Lernatmosphäre, größerer Spontanität oder zum Üben bestimmter sprachlicher Strukturen eingesetzt werden können.

Ergänzend zu den Beiträgen der Reutlinger Tagung erscheint ein Konferenzbericht zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) im Oktober 2015 in Ludwigsburg. Stefanie Giebert (Hochschule Reutlingen) gibt hier einen Überblick über einige dramapädagogisch relevante Vorträge sowie ein sogenanntes „freies Format“, das sich unter anderem mit Fragen der Umsetzung von Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht beschäftigte. Am Ende des Berichts gibt es einen Ausblick auf einige 2016 anstehende dramapädagogisch potentiell interessante Konferenzen.

Als Gastherausgeberin dieser Ausgabe möchte ich mich bei Susanne Even und Manfred Schewe bedanken, für die Möglichkeit, mit dieser Ausgabe einen Einblick in die vielfältigen Beiträge der Reutlinger Konferenz geben zu können und ihre hilfreiche Begleitung des gesamten Herausgabeprozesses. Außerdem danken möchte ich Jonathan Sharp für das Korrekturlesen vieler Artikel und generelle Unterstützung sowie allen BeiträgerInnen und GutachterInnen für ihre konstruktive Mitarbeit.

Ihre Gastherausgeberin,

Stefanie Giebert

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