Konferenzbericht

Bericht zum 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung zum Thema “Sprachen lehren”

Stefanie Giebert

Jahrgang IX, Ausgabe 2, 2015, doi:10.33178/scenario.9.2.9
© 2015, The Author(s). This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

Der zweijährig stattfindende Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) ist eine der großen Fremdsprachendidaktik-Tagungen im deutschsprachigen Raum. Vom 30.09.- 03.10.2015 fand der diesjährige Kongress an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg statt und wurde von ungefähr 400 TeilnehmerInnen besucht. Die TeilnehmerInnen rekrutieren sich normalerweise hauptsächlich aus Lehrenden und Forschenden aus der universitären Fremdsprachendidaktik und Lehrerseminaren sowie Lehrkräften aller Schultypen. In 12 Sektionen und 12 AG-ähnlichen „freien Formaten“ deckte der Kongress eine sehr große Bandbreite von Themen ab; die dramapädagogisch orientierten Vorträge verteilten sich über verschiedene Sektionen.1 Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf diese Vorträge sowie ein dem Thema Dramapädagogik gewidmetes AG-Format.

Contents

  1. Sektion Lehrmethoden
  2. Sektion Leistungsbewertung
  3. Sektion Curriculum/Mehrsprachigkeit
  4. Freies Format
  5. Fazit

1. Sektion Lehrmethoden

Carola Surkamp (Universität Göttingen) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem Thema „Handlungsorientierte Methoden im fremdsprachlichen Literaturunterricht – eine Videographiestudie“.2 Die Studie wurde im Englisch- und Französisch-Unterricht verschiedener Klassenstufen eines Gymnasiums durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, was Lehrkräfte unter Handlungsorientierung verstehen, wofür handlungsorientierte Elemente eingesetzt werden und wie handlungsorientierte Unterrichtseinheiten typischerweise ablaufen. Es stellte sich heraus, dass die an der Studie teilnehmenden Lehrkräfte unter handlungsorientiert offenbar vielfach einen Unterricht mit dramapädagogischen Elementen verstanden. Im Vortrag wurde ein Beispiel aus dem Literaturunterricht Englisch der 11. Klasse (zu Shakespeares The Merchant of Venice) vorgestellt. Hier arbeiteten die SchülerInnen mit Rollenbiographien und Standbildern konnten jedoch scheinbar das Potenzial dieser Übungen nicht voll ausschöpfen. Auffällig hierbei war, dass die verschiedenen Phasen der dramapädagogischen Einheit von der Lehrkraft nur wenig miteinander bzw. mit dem restlichen Unterrichtsablauf verknüpft wurden. Möglicherweise, so Surkamp, ist es nötig, dass LehrerInnen stärker für den Umgang mit solchen ‚Gelenkstellen‘ sensibilisiert werden, um dramapädagogische (und andere handlungsorientierte) Methoden erfolgreicher im Literaturunterricht anwenden zu können. Für eine ausführliche Vorstellung der gesamten Studie verwies die Referentin auf ein Kapitel im von Lutz Küster herausgegebenen Aufsatzband Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht: Theorie - Empirie – Unterrichtsperspektiven (2015). In der folgenden Diskussion wurde der Punkt der Rahmung mehrfach aufgenommen. Zuhörer bekräftigten die Sichtweise, dass trotz eines wahrscheinlich zunehmenden Einsatzes von dramapädagogischen Elementen möglicherweise die Gefahr bestehe, dass diese von LehrerInnen und SchülerInnen nur als ‚modisches Anhängsel‘ im Literaturunterricht verstanden werden. Dramapädagogik könne ihr Potenzial nicht entfalten, wenn Lehrkräfte zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit auf ihre Rahmung (zum Beispiel Aufwärmphase, Transparenz über Ziele, Reflexion) innerhalb des Stundenablaufs verwenden.

In seinem Vortrag zum Thema „Dramapädagogik in Schule und Lehramtsausbildung: Fremdsprachenlernen und das ‚Selbst‘ inszenieren“ präsentierte Adrian Haack (Göttingen) Teilergebnisse seines Dissertationsprojekts. Nach einem Überblick über mögliche Ausprägungen von dramapädagogischen Elementen im Unterricht beschäftigte sich der Vortrag mit einer Untersuchung der Reaktionen von Lehramtsstudierenden auf dramapädagogische Seminare. Festgestellt wurde, dass ein Training in dramapädagogischen Methoden Auswirkungen auf Bereiche außerhalb der konkreten Anwendung von Dramamethoden im Unterricht zeigte. So gaben TeilnehmerInnen an, zum Beispiel auch Impulse für gruppenorientierte Unterrichtsgestaltung gewonnen zu haben. Des Weiteren wurde untersucht, ob und wie sich eine Schulung in Dramapädagogik auf das Selbstbild der Studierenden auswirkte, wobei die TeilnehmerInnen am stärksten Veränderungen in den Bereichen Offenheit und Kreativität wahrnahmen. In der anschließenden Diskussion wurde vom Publikum unter anderem die Frage gestellt, ob für die erfolgreiche Anwendung von Dramapädagogik eine persönliche Neigung der Lehrkraft Vorbedingung sei, eine Frage, die in ähnlicher Form auch im freien Format (siehe unten) diskutiert wurde.

2. Sektion Leistungsbewertung

Hier gab Raphaelle Beecroft (PH Karlsruhe) einen Einblick in ihr Dissertationsprojekt „'Initiieren, Elizitieren und Bewerten mündlicher Sprachleistungen im Fremdsprachenunterricht': Professionalisierung von Lehrkräften durch Aktionsforschung”.3 Das Projekt wurde im Englischunterricht einer 9. Klasse an einer Realschule durchgeführt. Ziel war es, SchülerInnen mit Hilfe von Improvisationsaufgaben auf eine mündliche Abschlussprüfung (Eurokom Prüfung) vorzubereiten. Das Projekte umfasste die curriculumsbezogene Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Improvisationsaufgaben im Englischunterricht, die Forscherin und Lehrerin mittels Team-Teaching in einer Unterrichtsstunde pro Woche durchführten und die einen Teil der mündlichen Note der Lernenden bildeten. Fokus des Vortrags bildete die Untersuchung der Wirkung der Improvisationsübungen auf die Prüfung. Die Lehrerin berichtete eine Motivationssteigerung der Lernenden sowie bessere Leistungen in der mündlichen Prüfung. Bei den SchülerInnen fiel die Einschätzung dagegen eher gemischt aus. Als hilfreich für die Prüfungsvorbereitung wurden z. B. höhere Motivation, bessere Aussprache und größere Sprachflüssigkeit genannt. Aspekte, die als nicht hilfreich für die Prüfung eingestuft wurden, waren geringer Leistungsdruck während der Improvisationen (obwohl Teil der mündlichen Note), Fokus auf Gruppenarbeit und Spaß an den Übungen. Denn die Abschlussprüfung erzeugte hohe Nervosität und wurde von den Lernenden als komplett andere Situation empfunden, obwohl teilweise ähnliche Leistungen (flüssig vor Publikum sprechen) gefordert waren wie in den Improvisationen. Positives Fazit der Referentin war, dass gewisse Elemente als relevant für die Prüfungsvorbereitung erkannt wurden. Kritisch erwähnte die Forscherin, dass die Lernenden andere Wirkungen der Improvisationen, die ebenfalls als wichtig für kommunikative fremdsprachliche Kompetenz gelten können, als nicht relevant für die Prüfungsvorbereitung ansahen. In der anschließenden Diskussion wurden einige Fragen zum Forschungsdesign und zur Fortführung der Studie diskutiert, um zum Beispiel Einflüsse, die in der Person der Forscherin (Muttersprachlerin Englisch) lagen, ausschließen zu können.

3. Sektion Curriculum/Mehrsprachigkeit

Gisela Fasse (Köln) stellte ihr Projekt einer mehrsprachigen Theater-AG an einem Kölner Gymnasium vor.4 An deutschen Schulen sei zwar häufig eine Mehrsprachigkeit vorhanden, werde aber noch zu wenig wahrgenommen bzw. aus der Defizit-Perspektive betrachtet, so die Referentin. Ziel der Theater-AG war daher, die Wertschätzung und Bewusstheit für verschiedene Herkunftssprachen der SchülerInnen zu erhöhen sowie soziale Fähigkeiten, Selbstbewusstsein und (künstlerische und allgemeine) Ausdrucksfähigkeit der SchülerInnen im geschützten Raum des Theaters zu fördern. Der Projektablauf sah für das Schuljahr das Erlernen verschiedener theaterästhetischer Mittel, mit denen die Teilnehmenden für verschiedene Herkunfts-, Fremdsprachen und Dialekte in der Gruppe sensibilisiert wurden sowie die gemeinsame Erarbeitung eines mehrsprachigen Theaterstücks vor. Neben dem Fokus auf Herkunfts- und Fremdsprachen seien aber auch die Aspekte Körpersprache sowie Feedbacksprache (bildungssprachliche Mittel und Regeln für die Reflexionsphasen) Teil des Lernprozesses gewesen. Als längerfristiges Ziel des Projekts nannte Fasse die Dokumentation der Abläufe und Reflexion der Wirkungen, ein Einsatz von Fragebögen sei jedoch bisher aufgrund von infrastrukturellen Problemen (Raum und Zeit der AG) und daraus resultierenden Disziplinschwierigkeiten bei den TeilnehmerInnen noch nicht möglich gewesen. Geplant sei als Alternative hierzu, mit Videographie zu arbeiten, das Projekt stehe in dieser Hinsicht jedoch noch relativ am Anfang.

4. Freies Format

Das freie Format „Drama/Theater im FSU – Fragen zur Implementierung”, geleitet von Stefanie Giebert und Jonathan Sharp, wollte ein Forum vor allem für PraktikerInnen bieten, Meinungen und Erfahrungen auszutauschen. In der ersten Sitzung stand der Themenbereich Ästhetik vs. Instrumentalisierung sowie Leistungsbewertung im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde im World Café-Format. Am zweiten Tag wurden stärker praxisbezogene Fragestellungen in Kleingruppen diskutiert. An beiden Tagen wurde das Angebot von einer recht heterogenen Teilnehmergruppe wahrgenommen. Einerseits nahmen einige Forschende und Lehrende mit langjähriger Praxis- und Publikationserfahrung in der Dramapädagogik teil. Andererseits waren relativ viele Lehrkräfte mit noch wenig Erfahrung in diesem Bereich anwesend, was sich auch auf die Diskussionen auswirkte, da relativ viele Grundlagen betreffende Fragen und Anliegen geäußert wurden.

Im World Café kam – wie auch bei den erwähnten Diskussionsrunden nach verschiedenen Vorträgen– ebenfalls die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit auf. Es wurde von einigen TeilnehmerInnen vermutet, dass ein bloßes Interesse an Dramapädagogik nicht ausreiche und sogar angenommen, dass eine Lehrkraft 'Schauspieltalent' als Voraussetzung benötige, um dramapädagogische Elemente erfolgreich anzuwenden – eine Vermutung, die gewisse Berührungsängste unter Lehrkräften erklären mag. Dieses Themenfeld sollte die AG am zweiten Tag unter dem Stichwort 'Ausbildung' wieder aufnehmen.

Bei der Frage nach der Leistungsbewertung im dramapädagogischen Fremdsprachenunterricht beschäftigten v. a. folgende Fragen die TeilnehmerInnen: Können sprachliche und schauspielerische Leistung bei der Bewertung getrennt werden? Können und sollen ästhetische Standards in die Leistungsbewertung einfließen? Ist es überhaupt gerecht, dramapädagogische Übungen zu bewerten, da ja nicht alle LernerInnen über 'Schauspieltalent' verfügten? Was werde überhaupt bewertet – müsse man nicht auch berücksichtigen, dass einige Wirkungen dramapädagogischer Arbeit vielleicht gar nicht messbar seien? Eine Beantwortung der Fragen war nicht Ziel des Formats, vielleicht lassen sich hieraus aber Schlüsse ziehen, welche Fragen vor allem unerfahrene Lehrkräfte beschäftigen und möglicherweise zu Berührungsängsten mit der Dramapädagogik führen.

Am zweiten Tag diskutierten die TeilnehmerInnen in Kleingruppen unter anderem die Themen „Struktur und Chaos im dramapädagogischen Unterricht“, „Aus- und Weiterbildung“ sowie „Reflexionsmethoden“ und stellten kurze Handlungsempfehlungen zusammen, wobei sich auch hier herausstellte, dass weiterhin viele offene Fragen bestehen , vor allem in Bezug auf die systematische Ausbildung von Lehrkräften in dramapädagogischen Aspekten.

5. Fazit

Zwar war die Dramapädagogik nicht Konferenzschwerpunkt und eine eigene Sektion zum Thema wurde nicht – wie etwa 2009 – angeboten, dennoch gab es auf dem 26. DGFF Kongress meiner Ansicht nach für am Thema interessierte Lehrende und Forschende gute Impulse und Einblicke in einige derzeit im deutschsprachigen Raum laufende dramapädagogische Forschungsprojekte. Als mögliche Themen für weitere Forschung und/oder dramapädagogische 'Lobbyarbeit' schienen sich jedoch zwei Bereiche besonders herauszukristallieren: Wie können dramapädagogischer Elemente sinnvoll in den regulären Unterrichtsablauf eingebettet werden, so, dass diese Elemente von Lehrkräften und Schülern nicht nur als dekoratives 'nice to have' (etwa für die letzten 10 Minuten der Stunde) empfunden werden? Und sind dramapädagogische Elemente tatsächlich nur etwas für Lehrkräfte und Lernende mit besonderem 'Talent' und/oder 'Neigung', wie es offenbar diverse KongressteilnehmerInnen empfanden, oder können sie von allen Lehrkräften für alle Lernenden angewendet werden? In diesem Zusammenhang wäre eine weitere Etablierung der Vermittlung von dramapädagogischen Methoden als regulärem Bestandteil einer Lehramtsausbildung sicherlich wünschenswert.

Hinweise auf Konferenzen 2016 von dramapädaogischem Interesse:

9. Weltkongress der International Drama, Theatre and Education Association, vom 11.-17. Juli 2016 in Ankara, Türkei (http://ideaturkey.org/en/)

38. Kongress des APLIUT (Association de Professeurs de Langues des Instituts Universitaire de Technologie) zum Thema “Jeux en jeu dans l’enseignement/apprentissage des langues en LANSAD” (“Spiele im Spiel beim Unterricht Erlernen von Sprachen für Hörer nicht sprachlicher Fachbereiche”) vom 2.-4. Juni 2016 in Lyon, Frankreich (http://apliut.com/wordpress/)

Applied Improvisation Network World Conference (Fokus nicht rein-sprachlich, sondern auf Improvisation(stheater) in verschiedenen Kontexten), 11.-14. August, Oxford, UK (http://www.ainconference.org/)

Bibliografie

Surkamp, Carola & Schädlich, Birgit (2015). Textrezeptionsprozesse von Schülerinnen und Schülern in handlungsorientierten Unterrichtsszenarien: Unterrichtsvideographie im fremdsprachlichen Literaturunterricht. In: Lutz Küster (Hg.): Literarisch-ästhetisches Lernen im Fremdsprachenunterricht: Theorie – Empirie – Unterrichtsperspektiven. Frankfurt: Peter Lang

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